Kita- Schule- Katastrophe

 

In meinem heutigen Blog möchte ich mich mit der Bildung unserer Jüngsten, den Altersgruppen

Kita und 1-3 Klasse, beschäftigen.

Grundsätzliches:

Jedes Kind hat das uneingeschränkte Recht auf Fürsorge, auf Bildung und Förderung seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten. Somit schließt sich selbstverständlich die Erziehung zur Hygiene und zum Sozialverhalten ein.

Das trifft ausnahmslos für Kinder mit normaler altersgerechter Entwicklung, für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen oder Störungen, für Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung und für Kinder mit Migrationshintergrund zu.

Schon allein diese vier großen Gruppen sollten unser Bildungswesen vor die Verantwortung stellen, differenzierte Bildungs- und Erziehungspläne zu erarbeiten, die den individuellen Bedürfnissen und Ansprüche der Kinder gerecht werden und einer guten Vorschulförderung sowie schulischen Entwicklung dienlich sind.

 

Wenden wir uns zunächst einer KITA irgendwo in Berlin zu.

Die Erfahrung zeigt, dass diese Einrichtungen in den allermeisten Fällen mehr als nur Verwahranstalten für unsere Jüngsten sind. Soweit der positive Eindruck! Aber manchmal gewinnt man auch das Gefühl, da geht noch mehr, zumindest geht es in mancher Hinsicht wesentlich besser.

Dazu zwei Beispiele;

Jule, gerade sechs Jahre, ist Kind einer alleinerziehenden jungen Mutter. Kita ist also notwendig. Eine andere Möglichkeit der Unterbringung hat die Mutter nicht. Morgens wird Jule nach dem obligatorischen Küsschen in den Gruppenraum geschoben. Jule hat bereits mit Mama gefrühstückt, ist sauber gekleidet, wettergerecht angezogen und meistens ausgeschlafen. Jule ist aber ein Problemkind, denn sie hat bestimmte Lebensmittelunverträglichkeiten, ganz besonders was Milch anbelangt. Wenn Mama am Vortag den Speiseplan der Kita zu sehen bekommt, kann sie mit eingepackten Sachen den unverträglichen Mahlzeiten begegnen. Aber manchmal wird kurzfristig geändert und dann hat Jule schlechte Karten. Milchreis mögen alle Kinder, nur Jule kotzt sich danach die Seele aus dem Leib, hat Bauchkrämpfe und kommt nicht vom Klo. Die Erzieherin weiß das und warnt: „Das kannst du heute nicht essen!“ Wer jetzt erwartet, Jule bekommt etwas anderes auf den Teller, ein Wurstbrot oder wenigstens eine Banane, wird enttäuscht. Während die anderen Kinder essen, bekommt Jule lediglich einen Pott Tee hingestellt. Die Brottasche ist leer und die Erzieherin nicht in der Lage oder auch nicht gewillt, dem Kind eine Alternative anzubieten. Sowas gibt es nicht? Aber klar doch! Das ist ein Beispiel aus dem wahren Leben!

Mama kommt am späten Nachmittag und holt Jule ab. Die ist äußerst gereizt. Sie ist völlig unterzuckert, hat Hunger und veranstaltet noch im Kindergarten ein beachtliches „Theater“. Mama sucht nach Möglichkeiten, das Kind abzulenken und zu beruhigen, aber Jule wird stattdessen hysterisch und kreischt. Sie hat Hunger, schreit sie und trifft damit des Pudels Kern. „Was?“ „Du hast heute nichts zu essen bekommen?“ „Nein!“

Mama ist entsetzt und wendet sich an die Erzieherin. Jetzt folgt erst einmal eine deftige Auseinandersetzung und Mama erklärt, dass sie das Verhalten der Erzieherin als eine Verletzung der Fürsorgepflicht betrachtet. Damit liegt sie völlig richtig!

 

Irgendwann ergibt sich für Oma die Gelegenheit Jette von der Kita abzuholen.

Der Hof ist abgeschlossen, zwei Erzieherinnen sitzen auf einer Bank, wie die Hühner auf der Stange

und gackern über private Dinge. Die Kinder spielen im Sand oder toben auf den Spielgeräten, mehr oder weniger von den gesprächigen Fachkräften beobachtet. Oma übergibt Mamas Vollmacht zur Abholung. Kein Wort wird an sie gerichtet, statt dessen plärrt eine der Erzieherinnen -Jetteeee- über den Kitahof.

Das Kind kommt, ist trotz der Kühle des Tages total durchgeschwitzt. Das Hemd hängt aus der Hose, deshalb ist der Rücken unbedeckt. Die Jacke ist obendrein falsch geknöpft. Jette sieht wie ein kleiner Dreckspatz aus. Für die Erzieherin scheint das Thema Jette für heute bereits gegessen. Sie dreht sich ab und schwatzt weiter. Oma schaut Jette von oben bis unten an, dann entschließt sie sich doch zur Frage nach dem Waschraum. „Da dürfen wir nachmittags nicht mehr rein, der ist schon gewischt!“, belehrt die Enkelin. Und richtig! Die Tür ist abgeschlossen. Als Oma um den Schlüssel bittet, kommt ein Knirps angerannt, der mit der Hand vorn im Schritt zusammendrückt, was sich zusammendrücken lässt und von einem Bein aufs andere springt. Als Oma mit Jette und dem Knirps ins Haus gehen will, hört sie noch die hinterhergetrötete Ermahnung der Erzieherin: „Keine Sauereien veranstalten und ja nicht vorbei pinkeln!“ Das ist eine wenig niveauvolle Ansage an Oma und den Knirps.

Wenigstens mit gewaschenen Händen und gerichteter Kleidung verlassen Oma und Jette die Kita, während der kleine Junge weiterhin unbeaufsichtigt im Waschraum verbleibt. Keine der Damen hielt es für nötig, sich von der Bank zu erheben um ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen.

„Du musst dich noch verabschieden, Jette!“ „Nein, das brauchen wir nicht, sie haben ja gesehen, dass ich abgeholt werde!“ Auf dem Heimweg steht der kleine noch immer von Schmutz umrandete Schnabel keinen Moment still und weil das Kind so gut drauf ist, gehen beide noch in den Supermarkt. Oma ist spendabel und Jette zeigt sich glücklich und zufrieden.

Hinter der Kasse am Packtisch stehen zwei Frauen und ein kleines Mädchen. Die Kleine ist herausgeputzt und Oma denkt so bei sich: „Die kommt bestimmt nicht aus dem Kindergarten!“

Die Maus strahlt wie ein herausgeputztes und blankpoliertes Weihnachtsäpfelchen. Als Oma Jette aus den Augenwinkeln betrachtet, muss sie unwillkürlich an eine gerade frisch aus der Erde gezupfte Möhre denken. Beide Kinder stellen sich nun, so wie es junge Hunde tun, prüfend gegenüber. Das Äpfelchen streckt plötzlich sehr provokant sein Füßchen vor und präsentiert die sicherlich neu erstandenen Schuhe. Jette steckt als Antwort die Zunge heraus, so weit sie nur kann. Was soll sie auch, so wie sie gerade aussieht, vorzeigen? Auf den Hosenknien hat der Sandkasten gelbe feuchte Flecke gezaubert. Von der Jacke ist ein Knopf abgerissen, deshalb war sie ja auch falsch geknöpft. Ihre Schuhe sind bestimmt noch bis zur Hälfte mit Kitasand gefüllt, auf alle Fälle sind sie ziemlich verdreckt. Jettes Gesicht ist verschwitzt und beschmiert.

Am Abend, als Jette schon im Bett ist, reden Mama und Oma über die heute angetroffenen Zustände in der Kita.

Natürlich ist das kein Drama, wenn sich Kinder beim Herumtollen beschmutzen. Keine Frage! Aber wie möchten Eltern ihr Kind übergeben bekommen?  Wir war das früher?

Die Erzieherinnen begrüßten am Morgen jedes einzelne Kind persönlich und verabschiedete es gleichermaßen.

Sie trugen dafür die Verantwortung, dass unter Berücksichtigung der Unverträglichkeiten die Beköstigung aller Kinder gesichert war. Es gab einen Bildungs- und Erziehungsplan, der in der Garderobe aushing, als Information für die Eltern.

Der Übergabe an die Eltern ging am Nachmittag grundsätzlich folgendes Prozedere voraus.

- das Kind wurde zur Toilette geschickt,

- Gesicht und Hände wurden gewaschen,

- Haare gekämmt, - die Kleidung gerichtet,

- Schuhe kontrolliert, gegebenenfalls gebunden,

Die Erzieherin half den Kleinsten und kontrollierte die Großen. Erst danach erfolgte die persönliche Verabschiedung des Kindes und die Übergabe an die Eltern.

Geht nicht sagt jemand? Aber klar doch geht das! So und nicht anders wurde es praktiziert.

Ob sich zwischenzeitlich in Jules und Jettes Kita etwas geändert hat? Wir wollen es hoffen! Beide sind nun Schulkinder und da stehen bereits die nächsten Probleme auf der Tagesordnung.

 

Die Schule

Zu Großmutters Zeiten war es in jeder Dorfschule Alltag. Heute feiert es ein bundesweites sagenhaftes Comeback: das jahrgangsübergreifende Lernen (JüL). Das soll nun die Antwort auf das Schockergebnis der Pisa-Studie von 2001 sein?

Welche Argumente sprechen dafür und welche sprechen aus der bereits gewonnenen Erfahrung der Eltern mit diesem System dagegen?

„Nach Meinung der Befürworter liegt der Vorteil darin, dass in Gruppen, in denen Erstklässler zusammen mit Viertklässlern lernen ein höheres Maß an Individualität erreicht wird. Auch das soziale Miteinander werde durch jahrgangsübergreifendes Lernen gefördert, dadurch dass die Kinder stärker zur Kooperation animiert werden. Eine Erhöhung des Freiheitsgrads ziehe eine höhere Motivation hinter sich her und gestalte damit verbunden das Lernen des Einzelnen effektiver.“

- Wirklich?-

Zusammengefasst geht es hierbei hauptsächlich um mehr Individualität, um mehr Freiheit, mehr Motivation und mehr soziales Miteinander. Aber wo bleibt bei dieser wunderschönen Argumentation der Aspekt des zielgerichteten und effizienten Lernens sowie das Hauptanliegen einer jeden Bildungseinrichtung, nämlich die optimale Wissensvermittlung, altersgerecht gefächert, nicht unterfordernd, nicht überfordernd? Wie wird man diesem Anliegen in einer gemischten Klasse überhaupt gerecht? Ist das der Grund, warum von den Klassen 1-2 keine und von Klasse 3-5, je nach Schulkonzept, nur eventuell Noten vergeben werden? Gerade bei den Klassenstufen 1-4 spielt im Unterricht noch der Wechsel zwischen Anspannungs- und Entspannungsphasen eine große Rolle. Bei den Jüngsten redet man von einer Kurzzeitkonzentration. Deshalb ist es wichtig, den Unterricht der Erstklässler vielseitig zu gestalten. Rechnen und Schreiben können durch Anwendungsspiele oder Lockerung z.Bsp. der in der Feinmotorik noch ungeübten Finger bereichert werden. Je älter die Kinder sind, um so eher kann man Ihnen einen größeren Zeitraum des konzentrierten Lernens zumuten. Das bedeutet altersgerechte, differenziertere Anforderungen und der gezielter Einsatz vielseitiger didaktischer Mittel. Wie soll das in einer altersgemischten Klasse gehen?

 

Picken wir uns nun einmal, stellvertretend für den Bund, das Berliner Schulgesetz und die Berliner Grundschulverordnung heraus und steigen damit in die Schulrealität ein. Vorweg noch die Erläuterung der angebotenen Unterrichtsformen für die ersten bis vierten Klassen. Bezeichnet als - Unterrichtsformen in der Schulanfangsphase

Jahrgangsbezogenes Lernen (JabL)

flexible Schulanfangsphase (SaPh)

Das erste Model erklärt uns die jahrgangsbezogene Beschulung der Kinder. Also die Form, in der die meisten von uns den Start in den Schulalltag mit Zuckertüte und Familienfeier angetreten sind.

Das zweite Model gestaltet sich weit unübersichtlicher. Hiermit ist die jahrgangsübergreifende Lernengruppe (JüL) gemeint, in der sowohl die Zusammenfassung der 1. und 2. Klasse, als auch 1.+2.+3.+vereinzelt 4. möglich ist. Diese Gebilde werden mit dem Namen Lerngruppe geadelt, bedeuten nicht selten übermäßigen Stress für die Kinder und eine Herausforderung für Lehrer und zur Seite gestellte pädagogische Kräfte.

Wie sieht es in der Praxis aus?

Schauen wir doch einmal von außen in eine Berliner Schule, rüsten unser Kind, Mäxchen, mit einer tollen Schultüte aus und schicken ihn hinaus ins Leben. Mäxchen wird von der zukünftigen Klassenlehrerin liebevoll begrüßt. Die Sporthalle ist bis auf den letzten Platz vollgestopft mit Eltern, Großeltern und Co. Alle wissen, das ist jetzt ein ganz wichtiger Tag für die Jüngsten. Bei einem Informationsabend im Vorfeld der Einschulung haben die Eltern erfahren, wie die Schulform in etwa aussieht, für die sie sich entschieden haben. In unserem Fall geht Mäxchen in eine JüL mit 1.+2.+3. Klassenstufe.

Unser Erstklässler erhält, wie alle anderen Schulanfänger, ein Dritti-Patenkind, das den organisatorischen Einstieg in den Schulbetrieb unterstützen soll. Soweit, so gut!

Beim feierlichen Zeremoniell erhalten die mehr als Zweihundert Angehörigen die Information, dass die Schule nun 7, jawohl, sieben Mischklassen an den Start schickt. Es bestand also keine Notwendigkeit der Verteilung der Erstis wegen des Mangels an Schülern, sondern diese Schule favorisiert das JüL-Konzept, welches wir, wie schon gesagt, aus den Dorfschulen der Vorkriegszeit kennen und einmal verächtlich mit dem Namen -Zwergenschule- versehen haben.

Mäxchen wird also an die Hand genommen und in den Klassenraum geführt. Sein zukünftiger Sitzplatz befindet sich an einem der quadratischen Tische, an dem mit ihm fortan noch zwei Zweitis und das Patenkind aus der dritten Klassenstufe sitzen werden. Und da der Tisch bekanntlich vier Seiten hat, erwischt unser Max ausgerechnet den Platz, auf dem er mit dem Rücken zum Lehrerpult sitzt. Die Bestuhlung ist einheitlich und man kann davon ausgehen, dass entweder die Erstis zum Schulanfang noch Mühe haben werden, ihre Füße auf den Boden zu bekommen, oder es den Drittis zum Abschluss des Schuljahres gelingt, den Tisch mit den Knien anzuheben.

In den ersten Tagen sind die Erstklässler in geringer Anzahl unter sich und die Lehrerin kann noch ohne die zukünftigen Unruhen und Lautstärken alles erklären, was Max wissen muss. Sie prägt sich die Namen der zehn Schulanfänger ein, kann alle gleich richtig ansprechen und hat das wichtige Organisatorische erledigt. Tage später stoßen die gemischten Mitschüler dazu. Jetzt beginnt der Unterricht und wenn die Lehrerin etwas erklärt, verdreht Max den Kopf, denn bei dieser Sitzordnung ist für ihn hinten gleich vorn. Frontalunterricht findet also nicht statt. In der ersten Zeit, egal ob es ihn betrifft oder nicht, dreht er sich bei jeder Ansprache der Lehrerin 180° um die eigene Achse. Manchmal verharrt er ein ganzes Weilchen in dieser Position. Schüler sind am aufnahmefähigsten, wenn sie sich dem Lehrer zuwenden, denn auch die Mimik und Gestik unterstreichen die Bedeutung des Gesagten. Mäxchen ist nun aber keine Eule. Er rutscht also beständig auf dem Stuhl hin und her und verdreht Kopf und Körper.

Was sagt dazu die Empfehlung für die – korrekte, ergonomische Sitzhaltung der Kinder am Schreibtisch?

Die Füße sind im Sitzen flach auf dem Boden.

Oberschenkel liegen auf der Sitzfläche auf.

Ober- und Unterschenkel bilden 90°.

Kniekehlen berühren nicht die Sitzkante.

Knie und Oberschenkel kommen nicht mit dem Tisch in Berührung.

Die Nackenmuskulatur bleibt entspannt, wenn die Unterarme auf der Tischplatte aufliegen.

Soviel erst einmal zur Körperhaltung!

Im Klassenraum ist es unruhig, Max muss zudem noch lernen, an welcher Stelle des Unterrichts aufmerksames Zuhören von ihm verlangt wird und wann er sich für seine ersten Schreib-und Rechenversuchen auf das Arbeitsblatt konzentrieren muss. Ständig redet die Lehrerin. Mal spricht sie die Stufe 1, mal Stufe 2 oder 3 an. Nur in ganz seltenen Fällen ist absolute Ruhe im Raum. Sein Patenkind nimmt es mit der Betreuungsaufgabe zu genau. Es funkt ständig mit Belehrungen dazwischen, stört Mäxchens Konzentration, ohne dass die Lehrerin oder die pädagogisch Kraft eingreifen. So schleichen sich dann auch Fehler ein, die schwer wieder ausgebügelt werden können. Zum Beispiel ist der Ansatz beim Schreiben der Buchstaben verkehrt Max beginnt rechts und endet links, Ziffern werden von unten nach oben geschrieben. So geht es auch an den anderen Tischen zu. Eigentlich sind es die Eltern, die Max das richtige Schreiben der Buchstaben und Zahlen beibringen. Im Klassenzimmer herrscht, wie schon gesagt, Unruhe, Max ist reizüberflutet und am Ende des Schultages wie durch den Wolf gedreht.

Eine Arbeitsruhe ist in diesen Lerngruppen nicht möglich, der so wichtige Wechsel von Anspannung und Entspannung anscheinend nicht realisierbar. Max verliert die Übersicht und erst einmal gründlich die Lust auf Schule. Nach dem Unterricht geht es dann in die Nachmittagsbetreuung. Kinderhort ja, aber Hausaufgabenerledigung nein!

Alle und alles läuft bunt durcheinander, denn es werden in vielen Horträumen die unterschiedlichsten Freizeitangebote gemacht und jeder kann sich frei im Haus bewegen. Der Nachmittag ist von den Pädagogen aufwendig gestaltet, vielseitig und spannend, aber die Hausaufgaben bleiben für die Eltern am Wochenende. Am Abend ist unser Schulanfänger zu knülle. Samstag oder Sonntag übt und festigt Max das Erlernte aus der gesamten Woche. Vieles ist mit dem Klingelzeichen der letzten Stunde des Schultages aus Mäxchens Kopf verdampft und nun sind Mutti und Vati gefragt. Jetzt folgt der eigentliche, der frontale Intensivunterricht durch die Eltern. Statt der Erholung haben die Erwachsenen ein sich verweigerndes Kind, das zudem nach der Anstrengung der Woche auch einmal Ruhe braucht und fordert.

Wozu brauchen wir eine Schulpflicht, wenn die eigentliche Beschulung regelmäßig per Homeschoolig stattfindet und das auch schon vor Corona. Was machen die Eltern der Migrationskinder, wo in manchen Fällen Sprachbarrieren und Bildungsdefizite alles noch wesentlich komplizierter gestalten.

Da sich jedes Kind im Schulhaus frei bewegen kann, entscheidet es auch selbst, wann es oder ob es überhaupt zum Essen geht. Da steht nämlich die nächste Hürde, die es zu bewältigen gilt.

Am Mittagsbuffet muss sich jeder Schüler selbst bedienen. Es steht zwar eine Aufsicht bereit, aber die Kinder entscheiden eigenständig, was auf ihren Tellern landet. Völlig überfordert schaufelt Max seinen Teller mit einem wilden Durcheinander voll, dass der Aufsicht wohl nicht stimmig scheint. Er muss es in den Abfalleimer schütten. Eingeschüchtert von diesem Erlebnis entscheidet sich Max fortan am Montag, Dienstag, Mittwoch und den Rest der Woche für Nudeln, weiter nichts. Keine Soße, kein Fleisch, einfach nur Nudeln. Keiner schaut hin, keiner hilft. Irgendwann geht er gar nicht mehr in den Speisesaal und keinem fällt es auf. Max ist überfordert. Sein Dilemma kommt erst nach Wochen heraus, als er zu Hause die einst so geliebten Nudeln verschmäht, und Mutti hartnäckig ermittelt.

Die Zeit vergeht und jedes neue Schuljahr wird mit Wehmut begonnen. Die besten Kumpels sind nun Vierte und aus der Klasse raus. Freundschaften gehen deshalb regelmäßig mit jedem neuen Schuljahr in die Brüche. Max ist traurig. Dazu kommen beständig die neuen Erstis. Ein orientierungsloser quirliger Haufen, der in der nächsten Zeit das so mühselig antrainierte Lernen gehörig stört. Mäxchen ist genervt! Mittlerweile ist aus dem Mäxchen ein Max geworden. Er ist Drittklässler, selbst Patenkind für einen Ersti und Klassensprecher. In der Vierten Klasse ändert sich für Max wieder alles. Nun kommt er in eine total neu zusammengewürfelte Gruppe Gleichaltriger. Er muss lernen, dass der Unterricht anders strukturiert ist. Im Laufe der Zeit haben die Eltern den Spaß an diesem Schulsystem verloren und freuen sich auf den Beginn des vierten Schuljahres.

JüL ist nach meiner Ansicht nicht das Gelbe vom Ei! Ruhe ist die erste und wichtigste Voraussetzung für das konzentrierte Lernen. Das Erlangen sozialer Kompetenzen kann man auch in der reinen Altersgruppe organisieren. Dieses Argument wird zu gern als Begründung für manchen Unsinn im Bildungsbereich herangezogen. Es gab schon einmal ein verqueres Experiment, das in Form der Laissez-fairen Erziehung nach 1968 über die Kinder hereinbrach, Chaos verursachte und scheiterte. Die Erkenntnis daraus war, Kinder brauchen feste Strukturen zur Orientierung.

Man stelle sich nur einmal vor, man sitzt selbst in einem Großraumbüro, weil nach Ansicht des Chefs die soziale Kompetenz in der Firma gestärkt werden soll. Jeweils vier Mitarbeitern haben an einem Tisch Platz genommen. Der Raum ist voller Unruhe, denn manchmal arbeiten zwei am gleichen Projekt und tauschen sich darüber beständig aus. Wie soll man da konzentriert arbeiten? Zudem verkündet der Chef lauthals über den Köpfen aller Anwesenden stundenlang die Arbeitsanweisung für Mitarbeiter A oder B oder C usw. Wer meint, am Abend noch gerade aus der Firma zu gehen, hat vermutlich Drahtseile als Nerven. Ich habe sie nicht! Erschöpfung, Burnout, Depression sind auch schon bei unseren Kindern angekommen. Es ist deshalb an der Zeit die Bremse zu ziehen!

Und da wären wir schon beim nächsten Beispiel, Inklusionsklassen.

Wer ist da wohl auf die Idee gekommen, Förderschulen für Kinder mit Behinderung und eingeschränkter Bildungsfähigkeit abzuschaffen. Gerade diese Kinder bedürfen einer besonderen Fürsorge und Zuwendung sowie eines Lehrplans, der auf ihre individuellen Defizite ausgerichtet ist. Es ist absolut gerechtfertigt Kinder mit körperlicher Beeinträchtigung, aber einer ansonsten uneingeschränkten Bildungsfähigkeit, in einer regulären Klasse zu beschulen. Aber alles, was mit einer eingeschränkten Bildungsfähigkeit einhergeht, bedarf einer besonders unterstützenden Methodik und Didaktik bei der Wissensvermittlung. Diesen Kindern müssen wir mehr Zeit geben, den Unterrichtsstoff zu verinnerlichen, Wissen zu festigen. Sollten wir nicht die Schulform wählen, die einem beeinträchtigten Kind, entsprechend seiner Fähigkeit, Fertigkeit und seiner geistigen und körperlichen Beanspruchbarkeit, ein Höchstmaß an Bildung ermöglicht? Das kann eine Lehrkraft im „normalen Unterricht“ nicht leisten. Sie muss im Stoff vorangehen. Da bleiben meist die Integrationskinder auf der Strecke und werden ihrer Bildungschancen beraubt. Erfolgserlebnisse sind so außerordentlich wichtig. Sie helfen, trotz Behinderung, Kinder in ihrer Persönlichkeit zu stärken. Das Selbstwertgefühl entsteht aus dem -Ich habe eine Aufgabe gelöst, ich habe es geschafft!  Die Aufgaben geschafft, die unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten,  trotz der Beeinträchtigungen, mit pädagogischem Sachverstand und Feingefühl an sie herangetragen wurden. Diese Kinder brauchen in erster Linie eine individuellere Förderung und nicht die Anhäufung von Misserfolgen, weil sie mit „normal“ entwickelten Kindern nicht Schritt halten können. Die Nachmittagsgestaltung ist der Zeitpunkt wo alle in ungezwungener Weise miteinander Spaß haben sollten, Verständnis, Rücksichtnahme  und Hilfsbereitschaft im normalen Umgang  erlernen, behindert oder nicht behindert. Das ist mein Plädoyer für getrennte Klassen, aber gleiche Schulen und gleicher Hort. Alles andere ist nach meiner Ansicht ein Sparmodel.

Nun kann man meinen Argumenten mit wissenschaftlichen Studien begegnen. Ich kann darauf nur antworten, dass nicht immer jede gut gemeinte Theorie, sei sie auch noch so hochwissenschaftlich begründet, in der Praxis zum gewünschten Ergebnis führt. Nur die Praxis zeigt die Fehler auf.

Ich lehne jedenfalls die derzeit praktizierte Schulform JüL und Integrationsklassen kategorisch ab! Mein Fazit lautet: „Ich halte das derzeitige Experiment für gesundheits- und bildungsgefährdend!"  Wir sollten wieder zur alten und bewährten Schulform mit Frontalunterricht zurückfinden, um nicht mit Volldampf in den nächst höheren Bildungsnotstand zu rasen! Da hilft auch kein Bemühen um Digitalisierung in den Schulen. Da hängt nämlich, nach Meinung einiger namhafter Psychologen, das nächste schwerwiegende Problem. Und dieser Meinung  schließe ich mich  aus tiefster Überzeugung gern an.

 

Kurz nach 1990 hörte man oft die Bezeichnung -Bildungsbürger- in Verbindung mit dem Bildungsstand der Menschen aus den neuen Bundesländern. Jetzt ist der Begriff aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Die dortige neue Generation reiht sich mittlerweile gefügig in das gesamte bundesdeutsche Naja-Niveau ein. Was sprach eigentlich damals dagegen, dieses erfolgreiche Bildungssystem zu übernehmen, anstatt heute zu experimentieren? Mit der Übernahme meine ich natürlich nur die reine Bildung und auf keinen Fall die politischen Exerzitien.

Warum haben sich eigentlich die privaten Schulen und Schulen in kirchlicher Trägerschaft dieser derzeitigen Experimentierfreude bislang verweigert? Sollte uns dieser Umstand nicht nachdenklich machen?

Dem Pisa-Patienten geht es nicht besser, wenn er am falschen Ende operiert wird und sein Wohlergehen dem Sparzwang zum Opfer fällt.

In diesem Sinne,

Ihre/Eure Veronika