alte Verse und berauschende Farben

 Fotografien:

©  Veronika Kowoll

 

 

Der Gärtner

 

Es lebt ein Mann am eignen Herde,

Der emsig ist, auch wenn er scheint zu ruhn,

Auch wenn er kniet und still sich beugt zur Erde,

Als ob er wolle, dass sein Tun

Nicht angesehen werde;

Doch dankt ihm mancher Baum,

Der stattlich schwankt im Raum,

Ein Leben,

Das Enkeln noch wird Schatten geben.

 

Durch seine Pflege nur gedeihen

Die Früchte, die des Reichen Tafel Glanz,

Gewürz und jeden Wohlgeschmack verleihen.

Er gibt zum Fest den Schmuck, den Kranz.

Sein Antlitz bräunt die Sonne ganz,

Und wenn die Flur der Bann

Des Frostes umeist, noch dann erblühen

Des Frühlings Kinder ihm durch sein Bemühen.

Herrmann Lingg (1820-1905)

 

Herbstrosen

 

Vorbei ist aller Überfluss an Farben und an Wohlgeruch.

Noch reckt die Rose trotzig ihre Knospen hin zur Sonne

 und schmeichelt des Betrachters Auge,

wenn sie sich zart entblättert.

Nicht ahnend, dass die Nacht mit eisigem Griff

zur Krönung setzt ihr den kristallenen Reif.

So steht sie dann im Morgenlicht erstarrt in ihrem Zauber.

Vergehen wird der nächtlich Glanz in Tropfen,

die sanft den kühlen Boden netzen.

Nun ist der Abschied auch für sie gekommen!

Wie Tränen fallen ihre Blätter hin zur Erde.

Beginnt doch schon das letzte Spiel des Jahres,

da gleich der Wind  in seinem Übermut

das Bild verwirbelt von der edlen Tracht.

© Veronika Kowoll 

Veröffentlichung : Jahrbuch Deutsche Lyrik 2021 (Brentano-Gesellschaft Frankfurt am Main)

 

 

Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene... 

 

Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene,

Die in der Blätter keuschen Busen sinkt,

Und milden Tau und süßen Honig trinkt,

Doch lebt ihr Glanz und bleibet ewig grüne.

So singt mein tiefstes Freudenlied,

Ach meine Rose blüht!

 

Die Rose blüht, o Sonnenschein verziehe,

Dass lange noch der liebe Sommer währt,

Und mir kein Sturm die süße Lust versehrt,

Dass all mein Heil aus dieser Rose blühe

So freut sich innig mein Gemüt,

Weil meine Rose blüht!

 

Die Rose blüht, und lacht vor andern Rosen,

Mit solcher Huld, und Liebesmildigkeit,

Dass gern mein Sinn sich zu der Pflicht erbeut,

Mit andern Blumen nie mehr liebzukosen,

Weil alle Liebe, die erglüht,

Aus dir du Rose blüht!

Clemens Brentano (* 09.09.1778, † 28.07.1842)

 

Rose aus dem Nichts...

 

Jetzt, da die Rose aus dem Nichts

ins Dasein tritt, zum Schmuck der Auen,

In Demut kaum das Veilchen wagt

zur Herrlichen emporzuschauen-

sollst Du am Morgenwein Dich freun

bei Paukenschall und Harfenklang,

Bei Flötenhauch und Feuerkuss

an junger Schönheit Dich erbauen.

Genieß des Lebens Rosenzeit

bei Spiel und Sang, im Glück der Liebe.

Nicht über eine Woche Frist

kannst Du der Herrlichen vertrauen!

 

Khwāja Shams-ud-Dīn Muḥammad Ḥāfeẓ-e Shīrāzī (1320-1390)

 

Alle die Blumen

 

Alle die Blumen sind ohne Harm.

Nur die rote Rose nicht, sie sticht !

Sticht, wie die liebe Sonne so warm,

Mai ist ohne die Rose nur arm,

Mai ist ohne die Rose nur Qual -

Ihr stillen Gründe, du einsam Tal.

 

Achim von Arnim  (1781-1831)

Waldrebe

 

Zur Zierde meines Gartens stehst du im Morgentau

und überstrahlst den Tag mit einem herrlich Blau.

Wie zart sind deine Reben, wie groß die Blütenpracht,

die du mir streckst entgegen, dass gar mein Herze lacht.

Du holst das Blau des Himmels für mich auf Erden hier,

Könnt mich darin verlieren und dafür dank ich dir.

Grazil ist die Erscheinung, bescheiden wirkt dein Platz,

drum kürt ich dich mit Wonne zu meinem Gartenschatz.

© Veronika Kowoll

 

 

 

Heut ist der holde Tag!

 

Heut ist der holde Tag

Nicht warm und kalt auch nicht,

die Wolke wäscht

der Welt ihr Blumenangesicht;

ich hör die Nachtigall

wie sie zur Rose spricht:

"Blüh auf und lieb und trink,

eh´ dich der Herbstwind bricht."

 

Omar Khayyam, (Chajjam, 1048- 1131)

Daß die Rose dir zum Beispiel werde!

 

Daß die Rose dir zum Beispiel werde!

Sonne, Tau und süßen Wind von Osten

Allen Glanz und alles Glück der Erde

Weiß sie frei und unbesorgt zu kosten.

Des Propheten Weisheit braucht sie nicht

Denn sie lebt ja so, wie jener spricht.

(Khwajeh Shams al-Din Muhammad Hafez-e Shiraz, 1320-1390)

Ode an die Rose

 

Rose, Wunder aller Blumen, die blühen,

jedes Blatt ein Zeuge der Liebe im Frühling.

Selbst die himmlischen Mächte erfreuen sich ihrer.

Sie ist die junge Leidenschaft der Aphrodite,

sie ist der Liebling der Cythere,

die Schläfe mit Blumenblättern umkränzt und mit ihrem

süßen Parfüm macht sie die Herren trunken.

 

Anakreon (575/570 - 495 v. Chr.)

Vergissmeinnicht

 

Es blüht ein schönes Blümchen

Auf unsrer grünen Au.

Sein Aug' ist wie der Himmel

So heiter und so blau.

Es weiß nicht viel zu reden

Und alles, was es spricht,

Ist immer nur dasselbe,

Ist nur: Vergissmeinnicht.

Wenn ich zwei Äuglein sehe

So heiter und so blau,

So denk' ich an mein Blümchen

Auf unsrer grünen Au.

Da kann ich auch nicht reden

Und nur mein Herze spricht,

So bange nur, so leise,

Und nur: Vergissmeinnicht.

 

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)

Die klare frische Rosenblüte streichelt....

 

Die klare frische Rosenblüte streichelt

mein geschlossenes Auge leicht,

als legte sie noch tausend kühle Lider,

eines auf das andere, über

mein heißes Lid. Und tausend Schlummer

breitet sie dann über meine Täuschung hin,

darunter streif ich selbst umher

im Duft des Labyrinths.

 

Rainer Maria Rilke  (1875-1926) 

 

In meinem Garten stehn zwei Rosen!

 

In meinem Garten stehn zwei Rosen

und harren dein, mit dir zu kosen.

Als Schlangen lauern meine Locken

am Blumenbeete meiner Wangen.

O tue Freund nicht so erschrocken

und nahe ihnen ohne Bangen,

sie sollen Trauter dich berücken

in mir die Schönste zu erblicken

 

Jehuda ben Samuel ha-Levi (1075-1141)

 

Blaue Hortensie

 

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln

sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,

hinter den Blütendolden, die ein Blau

nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,

als wollten sie es wiederum verlieren,

und wie in alten blauen Briefpapieren

ist Gelb in ihnen, Violett und Grau;

Verwaschenes wie an einer Kinderschürze,

Nichtmehrgetragenes, dem nichts mehr geschieht:

wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen

in einer von den Dolden, und man sieht

ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

 

Rainer Maria Rilke ( 1875 - 1926)


Rosa Hortensie

 

Wer nahm das Rosa an?

Wer wusste auch, dass es sich sammelte in diesen Dolden?

Wie Dinge unter Gold, die sich entgolden,

entröten sie sich sanft, wie im Gebrauch. 

Dass sie für solches Rosa nichts verlangen.

Bleibt es für sie und lächelt aus der Luft?

Sind Engel da, es zärtlich zu empfangen,

wenn es vergeht, großmütig wie ein Duft? 

Oder vielleicht auch geben sie es preis,

damit es nie erführe vom Verblühn.

Doch unter diesem Rosa hat ein Grün

gehorcht, das jetzt verwelkt und alles weiß. 

 

Rainer Maria Rilke ( 1875 - 1926)

Die Distel

 

Du bist als wie ein Distelkraut,

Das sticht den, der es bricht,

Und wer da Blumen pflücken geht,

Die Distel nimmt er nicht.

Was hilft die schönste Blume mir,

Kann sie nicht werden mein,

Was hilft das schönste Mädchen mir,

Schlaf ich des Nachts allein.

Ein Mädchen, das nicht lieben will,

Kein einer nach ihr sieht,

Es steht da wie ein Distelkraut,

Das ungepflückt verblüht.

Ein Mädchen, das kein Lieben kennt,

Das bleibt die Nacht allein,

Die eine Nacht, die andre Nacht,

Im dustren Kämmerlein.

 

 Hermann Löns (1886-1914)