Hoffnung und Zuversicht

 

 

 

Ein Mensch sein!

 

Frei sein im Denken;

Unzensiert im Wort;

Respektiert in der Meinung;

Stark im Willen;

Aufrichtig in der Liebe;

Sozial im Engagement;

Verantwortungsvoll im Miteinander;

 Gerecht sein beim Teilen;

Humanistisch in der Ausrichtung;

Friedlich im Handeln;

Streitbar in der Sache;

Kämpferisch für das Recht;

Fair im Urteil;

Furchtlos vor der  Wahrheit;

Einsichtig bei Fehlern;

Mut zur Korrektur;

Bereitschaft zur Veränderung;

 

Ein Mensch sein!

 ©  Veronika Kowoll

 

 

 

 Mein Traum

 

Ich flog auf sanften Flügeln

in eine bessere Welt.

So fruchtbar lag das Land,

die Äcker waren bestellt.

 

Die Menschen schienen heiter,

kein böses Wort erscholl.

Die Not war gerad verschwunden,

das Leben wundervoll.

 

Die Tiere lebten friedlich,

die Luft  war rein und klar.

Die Lerchen tirilierten,

im Baume sang der Star.

 

Ich flog in meinem Traume,

durch die sternenklare Nacht.

Die Idylle war verschwunden,

als ich dann aufgewacht.

 

Warum werden wir getrieben,

von Macht und Gier und Neid?

Warum baut mancher Mensch sein Leben

auf anderer Leute Leid?

 

Warum sind uns die Tiere

willfähriges Objekt?

Wo doch in jedem Leben

ein wenig Seele steckt.

 

Wir richten es zugrunde,

was uns am Leben hält.

Wir, „die Vernunftbegabten“,

zerstören  diese Welt.

  ©  Veronika Kowoll

 

 

Verlassen

 

Steh` in der Tür und sehe dir zu,

wie du die große Tasche füllst, 

mit deinen Sachen aus dem Schrank. 

Ich bin völlig aufgewühlt.

 

Du hast gesagt, es ist vorbei.

Du gehst jetzt deinen eigenen Weg.

Und hast mich mit nur einem Satz,

aus unserem Wir hinausgefegt.

 

Steh` in der Tür und fass es nicht.

Was hab ich dir getan?

Du sagst es wäre deine Chance.

Du fängst von vorne an.

 

Ich tu beherrscht, obwohl ich gerad

am Ende meiner Kräfte bin.

Denn dein Spruch vom eigenen Weg,

macht für mich keinen Sinn.

 

Beinahe hätte ich dich umarmt,

bevor du  noch das Haus verlässt.

Verschränke meine Arme schnell

und halt mich an mir selber fest.

 

Noch einmal öffnet sich die Tür,

die schon ins Schloss gefallen.

Das Schlüsselbund brauchst du nicht mehr,

wär dir soeben eingefallen.

 

Ach ja, und dieses Stück Papier

ist eine Liste von den Dingen,

die du noch gerne haben willst.

Du schickst wen, um sie dir zu bringen.

 

Ich nicke nur, begreife nicht gleich.

Dann kehrt bedrückende Stille ein.

Nur langsam realisiere ich,

ich bin ab jetzt allein.

 

Ein letztes Mal steh ich am Fenster.

Ersehne den vertrauten Blick,

dein frohes Lachen, ein letztes Winken.

Doch du schaust diesmal nicht zurück.

 

Sie sitzt im Wagen, sieht mich an

und du steigst ein, der Motor startet.

Dann verschwimmt im Fluss aus Tränen,

das Bild vom Weg, der auf dich wartet.

 ©  Veronika Kowoll

 

 

Apokalypse/Bosnien

 

Trümmerfelder, wo einst das Leben pulsierte.

Eisenträger ragen wie Stachel gen Himmel.

Ein Meer aus Schutt und Asche überdeckt weite Flächen.

Kein Kinderlachen befreit von der erdrückenden Stille.

Selbst die Vögel liegen mit geschlossenen Augen im Staub.

Die Schnäbel weit geöffnet, qualvoll verreckt am angstvollen Schrei.

Wie zum Spott ignoriert der Wind  die bleierne  Ruhe.

Treibt bunte Zeitungsfetzen verspielt vor sich her.

Bedeutungslose Zeugnisse vergangener Tage.

Wer wagt schon im Angesicht der  Apokalypse,

die Frage zu stellen, nach dem Ende des Grauens?

So rasch keimt keine Hoffnung für ein Leben danach.

                                                                                                                

Von Gram gebeugt, nähert sich eine  Männergestalt.

Aus der Ferne sah er das Verderben auf die Seinen stürzen.

Als das Unheil sich anbahnte, spielte er für Fremde zum Tanz.

Nun  fühlt er  sich schuldig, nicht mit ihnen gestorben zu sein.

Zu  groß ist sein Leid,  dass selbst sein Klagen verstummt ist.

Aus seinen leeren Augen können keine Tränen rinnen.

In Lethargie verharrt er, die Geige fest an sich gepresst.

Als wäre sie der Schlüssel zum gestrigen Leben.

Die Erinnerung quält ihn mit Bildern vom friedlichen Morgen.

Nur langsam dringt das Geschehene in sein Bewusstsein.

Noch wehrt er sich, die Realität zu begreifen.

 

Türen, die er sucht, bleiben für immer verschwunden.

Stimmen, die er liebte, wird er nie wieder hören. 

Verzweifelt stützt er sich auf den Rest einer Mauer.

Wie in Trance legt er seine Geige auf die Schulter.

Ist sie das Einzige, was ihm noch blieb?

Aufs kühle Holz presst er behutsam das bärtige Kinn.

Greift nach dem Bogen mit zitternder Hand.

Mit dem Spiel will er alles Unheil verdrängen.

Doch vergeblich sucht er nach der befreienden Melodie.

All seine Lieder sind aus dem Kopf verschwunden.

Wahllos reiht er deshalb die Töne aneinander.

Traktiert den Bogen, der über die Saiten springt.

Zuerst tobt er wütend, kraftvoll und laut.

Will damit den hämmernden Schmerz überdecken. 

Die Geige beginnt qualvoll zu winseln und schluchzen.

Ein Aufschrei der Verzweiflung!

Er spielt wie besessen, um sich zu berauschen.

Die Disharmonie zerreißt klagend die Luft.

Nur langsam ist er fähig, das ganze Leid  zu erfassen,

Bricht endlich in Tränen aus und kniet kraftlos im Staub.

 

Da legt sich eine kleine Hand auf seinen Arm.

Durch das zerschlissene Hemd dringt menschliche Wärme.

Er hebt den Kopf und schaut in zwei ängstliche Augen.

Blickt in ein Gesicht, das am Morgen noch knabenhaft und zart,

jetzt, der Kindheit beraubt, um Jahre gealtert.

 

Nie wieder kann er zum Tanze spielen, fröhlich, ungestüm und wild.

Nie wieder will er die Resonanzen spüren, die ihn erhitzt und im Inneren aufgewühlt. 

Kann es nicht mehr ertragen, wenn sie sein Herz berühren.

Irgendwann, so denkt er, sollten alle Geige verstummen,

angesichts dieser Unmenschlichkeit.

Das Leid wird sie erdrücken, erdrücken wie sein Herz.

Er erhebt sich vom Boden.

Legt das Instrument zur Seite, wie sein gestriges Leben.

Trotz maßlosen Leides will er sich dem Kind nicht verweigern. 

Drückt die kleine hilflose Hand tröstend  an sich

und verlässt mit ihm den Ort der  Grausamkeit.

Was ist schon eine Geige gegen dieses Kind?

 ©  Veronika Kowoll

 

 

 

 

Zwischen Angst und Zuversicht

 

Werden mich Tatsachen erdrücken,

wenn ich nach der Wahrheit suche?

 

Werde ich je Gewissheit finden,

wenn mich Zweifel zerfressen?

 

Kann mich der eigene Mut aufrichten,

wenn mich der Kummer beugt?

 

Finde ich zu mir selbst,

wenn ich im Sog der Massen treibe?

 

Werde ich bedeutungslos und zu Asche,

wenn ich im Feuer der Leidenschaft brenne?

 

Wie oft habe ich schon vor dem Abgrund gestanden,

ausgebrannt und erschöpft?

 

Unsicherheit gedeiht im Hoffen und Bangen!

Enttäuschung lebt von der Realität!

 

Das  Selbstvertrauen ist der Hort meiner Zuversicht!

Jeder Sonnenaufgang erfüllt mich mit Dankbarkeit.

©   Veronika Kowoll 

 Veröffentlichung : Jahrbuch Deutsche Lyrik 2017 (Brentano-Gesellschaft Frankfurt am Main)

 

 

Moment des Innehaltens

 

Ein Termin ist geplatzt, ich blättere im Kalender.

Beinahe eine halbe Stunde Zeit, nur für mich.

Rasch verlasse ich das Haus, und eile ans Ufer der Spree.

Der Straßenlärm entfernt sich mit jedem Schritt.

Für Minuten kann ich  meinem Alltag entfliehen.

Mehr Zeit wird mir der Tag wohl nicht gönnen.

Noch wenige Meter, dann bin ich am Ziel.

 

Da steht eine Bank unter der knorrigen Eiche,

deren Blätterdach eine friedliche  Ruhe verströmt.

Ich beschließe, mich zu setzen und finde zu mir selbst.

 

Weit lege ich den Kopf in meinen Nacken.

Blicke hinauf zu den uralten Ästen,

auf denen ich  als Kind oft gesessen hab.

Ich möchte verweilen, hier, an diesem Ort.

Mit geschlossenen Augen in Tagträume sinken.

Schon zwängt sich die Kindheit in meine Gedanken.

Es gleitet der Blick zu meinen Füßen hinab.

Ich steh auf der Wiese, ohne Schuhe, ohne Strümpfe.

Bis zu den Knien  in einem Meer aus Schaumkraut und Gras. 

Weich fühlte es sich an unter den Zehen und kühl,

dass ich es heute sogar noch spüren kann.

Ich winde einen Kranz aus den Wiesenblumen.

Den bunten Reif setz ich mir auf den Kopf. 

Höre das rhythmische Fauchen der Sense,

die scheinbar mühelos durch die Halme schwingt.

Nun greife ich ein Bündel der duftenden Mahd.

Werfe es hoch in die Luft mit kindlichem Eifer.

Auf mich fällt herab vom sonnigen Himmel, 

ein Regen aus Kräutern und weichem Gras.

Erschöpft lasse ich mich auf den Boden sinken.

Mein Gesicht ist gerötet und das Kleid hat grüne Flecken.

Wilde Strähnen haben sich aus meinen Zöpfen befreit.

Mein Haar ist mit tausend weißen Schirmchen geschmückt.

Versonnen liege ich im Gras und blicke zum Himmel.

Entdecke, dass die Wolken nach Osten ziehen.

Sehe auch den Saum aus rauschenden Erlen

am schilfbewachsenen Ufer stehen.

Erblicke diesen Baum, unter dem ich gerad sitze.

Hat er mich doch einst mit seinem Schatten erfrischt. 

Und wie oft haben meine kleinen kindlichen Finger

Linien nachgezogen, die in seine Rinde geritzt. 

Hab auf die Herzen Verliebter beide Hände gelegt

und lauschend das Ohr an den Stamm gepresst.

Er ist  mir geblieben, als ich die Augen wieder öffne.

Ich merke erst jetzt, wie vertraut er mir ist.

 

Nun muss ich wohl gehen, vorbei ist die Ruhe.

Und wieder hallen meine Schritte auf dem Asphalt.

Wo ist meine Wiese? Wo blieben die Erlen?

Das Schilf ist verschwunden, mit ihm die gelbe Lilien.

An ihrer statt schützt ein grauer Steinwall das Ufer.

Da höre ich, von der Brücke dröhnt Lärm zu mir rüber.

Ach ja, nun packt mich der Alltagsstress wieder.

Ich haste bereits zum nächsten Termin.

© Veronika Kowoll)